Warum die Entscheidung der Übertragung der Nutzungsrechte für das Hattinger Kanalsystem richtig ist

Die Übertragung der Nutzungsrechte kann nur in Betrachtung des städtischen Haushaltes sinnvoll betrachtet werden, denn die Hattinger Schuldenlast ist erdrückend. Dies wird einem besonders deutlich, wenn man sich die vergangenen Jahresergebnisse anschaut:

2012: ~ -9.000.000 €
2013: ~ -5.000.000 €
2014: ~-11.000.000 €
2015: ~ -25.000.000 €

Das die Jahresergebnisse so schlecht ausfallen liegt aber nicht am Hattinger Missmanagement. Zahlungen an Land- und Bund standen aus, es gab hohe Transferleistungen, eine schwankende Kreisumlage, der Verwaltungsapparat war teilweise überfrachtet und Steuern wie z.B. bei der Gewerbesteuer waren und sind höchst volatil. Seit 2016 sind die Ergebnisse aber aufgrund größter Anstrengungen und Einsparungen wieder im positiven Bereich und so wurden für 2016 bereits ~280.000 € und für 2017 223.000 € eingeplant und in den Jahren 2016/17 insgesamt 1,44 Mio. Euro realisiert. Projekte wie das Kommunalinvestitionsförderungsgesetz und Stadtumbau West unterstützen dabei ebenfalls die positive Entwicklung des Haushaltes. Allerdings sind diese zeitlich begrenzt und Sparmaßnahmen sind auch nur bis zu einem gewissen Punkt sinnvoll. Wir, als Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt merken im Alltag die Einschnitte. Das Schwimmbad: fehlt. Kultur- und Umweltbüro: weggefallen. Festivals wie Irish Spring: nicht mehr vorhanden. Und dabei steigen die Hebesätze für die Grundsteuern. Allerdings darf bei allem Pessimismus auch nicht vergessen werden, dass Hattingen trotz der schwierigen Rahmenbedingungen die richtigen Weichen gestellt hat. Hierzu zählt kostenlose Sperrmüllabholung, eine gut organisierte Flüchtlingshilfe, generell eine breite Basis des bürgerschaftlichen Engagements, neue Veranstaltungen wie den Fahrradfrühling etc.

Das Umfeld in dem wir uns bewegen wird aber immer schwieriger. Bei der Übertragung der Nutzungsrechte für die Kanäle ist für uns als Grüne vor allem die Frage relevant: was bedeutet es für die Bürgerinnen und Bürger und was heißt es konkret für die Hattinger Finanzen. Der Regionalverband (RV) ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Er arbeitet daher weder gewinnorientiert und auch durch die Gewährträgerhaftung des Landes ist er nicht in der Gefahr insolvent zu gehen. Bedenken, dass man sein gutes Silber verscherbelt sind unbegründet. Es handelt sich bei der Übertragung der Nutzungsrechte nicht um Cross-Border-Leasing, es ist kein Verkauf, klassische Ausgliederung oder Privatisierung. Für unsere Entscheidung war dies, genau wie die Gebührensicherheit für die Einwohner Hattingens, ein sehr wichtiger Punkt, da wir uns ausdrücklich gegen Spekulationsgeschäfte mit städtischem Geld aussprechen.

Dennoch bleiben ca. 134.000.000 € Kassenkredite mit rund 1.200.000 € Zinsen/Jahr bei einem Haushaltsvolumen von 164.000.000 € erschreckend hohe Zahlen. Diese Schulden in den nächsten Jahrzehnten abzubauen, ist bei aller Anstrengung, nicht realisierbar. Insbesondere die Zinsen sind ein hohes Risiko für den städtischen Haushalt, da bereits kleinere Veränderungen zu überproportionalen Problemen führen können. Selbst bei erhöhten Einnahmen von 1 Mio Euro/Jahr unter ansonsten gleichbleibenden Bedingungen würde die Entschuldung über 100 Jahre dauern. Durch die Übertragung der Nutzungsrechte werden 110.000.000 € vom RV an Hattingen überwiesen, die komplett der Entschuldung dienen. Zudem führt der Vertrag mit dem RV in den ersten 20 Jahren nach Vertragsabschluss zu einer Haushaltsverbesserung von insgesamt rund 25.000.000 €. Durch diese Zahlung des Ruhrverbandes, welche letztlich eine Vorauszahlung der generierten zukünftigen Gebühren ist, wird aktuell neuer Handlungsspielraum generiert, die Zinsfalle umgangen und durch Personal- und Aufgabenübertragung die Stadt finanziell und organisatorisch entlastet. Dabei bleibt die sowohl die Gebühren- wie auch die Satzungshoheit bei der Stadt. Zudem darf nicht vergessen werden, dass sich die Stadt durch den „nicht durch das Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag“ in einem rechtswidrigen Zustand befindet, der durch diese Übertragung zu einem Großteil abgebaut werden kann.     

Ein ebenfalls wichtiger Punkt ist, dass der RV aufgrund seiner Personal- und Organisationsstruktur seht gut aufgestellt ist. Dies ist insbesondere in Anbetracht von Extremwetterereignissen wie Starkregen von hoher Bedeutung. Hierdurch entstehen neue Anforderungen an Personal, Organisation und Kanäle, die auch aufgrund der Altersstruktur des Kanalsystems eine systematische Reinvestitionsplanung verlangt.

Wir haben uns als Hattinger Grüne intensiv mit der komplexen Thematik beschäftigt. Sowohl durch interne Diskussionen, als auch durch die Gespräche mit Fachleuten und auch durch die positiven Bescheinigungen der Beratungs- und Prüfungsgesellschaft (BPG), der Gemeindeprüfungsanstalt NRW (GPA), sowie der Bezirksregierung Arnsberg, haben wir keine ausreichenden Argumente gefunden, die gegen die Übertragung an den RV sprechen. In den letzten Monaten sind wir daher zu dem Entschluss gekommen, dass die Stadt Hattingen diese Chance wahrnehmen sollte, um sowohl mögliche zukünftige Risiken zu minimieren, sich zu einem Großteil zu entschulden und weiter für die Bürgerinnen und Bürger auf einer sicheren finanziellen Basis handlungsfähig zu bleiben.

Oliver Degner

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