Haushaltsrede 2024

Sehr geehrte Damen und Herren,


ich möchte heute nicht mit einem Zitat beginnen. Oder mit einem Schwank, einer Anekdote oder einem theatralischen Spannungsbogen. Dafür fehlt uns, auch buchstäblich – die – Zeit.
Daher lassen Sie mich das wesentliche direkt an den Anfang dieser Rede stellen: Hattingen ist wie viele andere Kommunen überschuldet und wir müssen handeln. Jetzt muss umsichtig gehandelt werden, aber es muss auch mutig gehandelt werden.


Unsere Stadt steht mit vielen Millionen Euro in tiefroten Zahlen. Bis 2034 wir das negative EK bei unglaublichen 200 Millionen Euro liegen. Wir sind damit weder in NRW alleine, noch im gesamten Land. Das mildert die Situation kaum.
In all den Gesprächen habe ich zwei Dinge immer wieder gehört:

  1. Wir sind nicht schuld an dieser Misere. Die Schuld liegt bei den höheren Instanzen von Land und Bund.
  2. Wir dürfen nicht alles pessimistisch sehen und müssen das Beste hoffen.

Sehr geehrte Damen und Herren: sicherlich tragen Land und Bund auch einen Großteil der Schuld für unser Schuldenproblem, weil wir immer Aufgaben übertragen bekommen, ohne dabei den nötigen finanziellen Ausgleich zu bekommen, aber wir müssen doch die Karten spielen, die wir haben und nicht die, die wir uns wünschen.

Und nein, wir dürfen auch nicht in Pessimismus verharren. Denn dann werden wir handlungsunfähig und verlieren die wesentlichen Dinge aus den Augen. Wir leben hier, weil wir unsere Wurzeln haben, unser soziales Umfeld hier ist, man sich kennt und schätzt und insbesondere, weil wir glauben, dass Hattingen ein lebenswerter Ort für uns ist! Das gilt es zu bewahren. Und. Das. Kostet. Einsatz!

Schauen wir uns an, was die Verwaltung sagt, wie dieses Ziel erreicht werden soll: es geht vor allem um Finanzmathematik, wenn wir im Jahr 2034 die Steuern um mindestens 175 Hebesatzpunkte perspektivisch erhöhen, weil der Haushalt nicht innerhalb von 10 Jahren ausgeglichen werden muss, sondern die schwarze Null nur am Ende der Betrachtung, also 2034 stehen muss. Also schiebt man eine potentielle große Steuererhöhung an das Ende der Planungen ins Jahr 2034. Es ist keine Verpflichtung, sondern nur Mittel zum Zweck, um Handlungsspielraum zu schaffen. Und oft habe ich die Verwaltung sagen hören: wir erhöhen jetzt keine Steuern, das machen die Anderen!


Es ist wahr, dass wir derzeit keine Steuern erhöhen. Aber lassen Sie mich deutlich sagen: Die Erhöhungen werden kommen, wenn nicht jetzt alles getan wird, um dies zu verhindern. Darüber müssen wir uns im Klaren sein und nicht nur auf Hoffnung setzen. Es gilt den Handlungsspielraum zu nutzen und dann nicht die Hände in den Schoß zu legen, sondern jetzt notwendige Projekte anzustoßen, um die potenziellen Erhöhungen abzuwenden.
Unsere Fraktion vertritt die Meinung, dass Steuererhöhungen immer schwierig und schmerzhaft sind. Denn sie zeigen entweder Einfallslosigkeit oder Alternativlosigkeit!

Daher werden wir jetzt, wie auch in der Vergangenheit und in der Zukunft, alles daransetzen, Steuererhöhungen zu vermeiden. Die Erhöhung von Hebesätzen muss weiterhin die absolute Ausnahme bleiben und sollten sie nicht abwendbar sein, so müssen die Eingriffe so gering wie möglich sein!
Und gleichzeitig müssen wir handlungsfähig bleiben und wichtige Projekte priorisieren!

Und ich möchte auch ganz klar sagen, was nicht zu diesen priorisierten Projekten gehört: neue Flächenversiegelungen! Flächenversiegelungen sind genau das Gegenteil solcher sinnvoll zu priorisierenden Projekte! In den vergangenen Jahren hatten wir die Platanenfällungen, die Aufgabe des Silberahorns und abermals Entscheidungen für einen großen Supermarkt an der Ortseinfahrt! Und dadurch eine weitere unnötige. Asphaltierung Und auch in diesem Jahr versiegeln die anderen Fraktionen und die Verwaltung weiterhin Flächen! Zuletzt am Standort Am Ruhr! Immer heißt es: dieses eine Projekt sei noch wichtig!
NEIN! Wir haben uns in all den aufgezeigten Projekten stets für den Erhalt und gegen die Versiegelungen ausgesprochen und werden es auch weiterhin tun!

Statt weiterhin Flächen zu versiegeln, haben wir den Prozess zur kommunalen Wärmeplanung angestoßen, wir haben uns für die Identifizierung von ungenutzten Gewerbeflächen für Freiflächen Photovoltaikanlagen eingesetzt, wir haben die Nachhaltige Beschaffung immer wieder in den Blick genommen, haben Maßnahmen zur Renaturierung von Friedhöfen angestoßen und haben die Fahrradinfrastruktur proaktiv begleitet.


Wir haben beantragt, dass zukünftige Baumaßnahmen nach den Empfehlungen zum Nachhaltigen Bauen, so auszuführen sind, dass damit das staatliche Qualitätssiegel für nachhaltige Gebäude erfüllt wird – leider fand dieser Antrag politisch keine Mehrheit. Umso tragischer, denn – und das ist kein Geheimnis: Investitionen in Natur-, Klima- und Umweltschutz zahlen sich aus! Und wer die Entwicklungen des Weltklimas verfolgt, der weiß, dass Natur-, Klima- und Umweltschutz schon längst absolute Priorität haben müssten! Es ist eine Existenzfrage für nachfolgende Generationen! Und umso unverständlicher ist es, warum einige der eben aufgezählten Projekte durch die beiden großen Fraktionen abgelehnt wurden! Umwelt-, Natur- Klimaprojekte: das sind genau wie eine Aufgabenkritik die wesentlichen Handlungsfelder der nächsten Jahre!


Damit wir dem Haushalt zustimmen können, fordern wir, dass die Verwaltung, vorrangig energetischen Sanierungen unter Ausnutzung von Fördermitteln und insbesondere durch Umschichtung investiver Gelder im Haushalt priorisiert und dass dafür 450.000 € im Haushalt vorzusehen sind. Bestandsgebäude wie Schulen und oder Sportanlagen sind ab sofort einzuplanen. Denn, der Zustand dieser Gebäude ist erschreckend! Sanierungen von dringend benötigten Räumen und Fluren werden verschoben, was auch zu Raumproblematiken bei den Schulen führt oder auch zu bedenklichen Zuständen bei den Sportanlagen. Hier müssen wir zukünftig sanieren – auch um die Lebens- und Aufenthaltsqualität zu erhalten. Sportvereine sind eine wichtige und tragende Säule für die Integration und das soziale Miteinander und besonders bei Schulen darf nicht nur der Notstand verwaltet werden, sondern es müssen Lösungen gefunden werden!


Wir können dabei nicht alles in Eigenregie leisten, denn eine Organisation, die sich selbst kontrolliert, wird auch die Ergebnisse produzieren, die sie sich wünscht, aber nicht die, die es braucht!
Daher ist ein elementarer Punkt und zwingende Bedingung zur Zustimmung zum Haushalt: die Schaffung einer Aufgaben-Kontrollkommission. Noch in diesem Jahr muss sich dieses Gremium bestehend aus Mitgliedern von Verwaltung und Politik konstituieren, um darüber zu entscheiden, welche externe Beratung von außen hinzugezogen werden wird. Dafür sind die entsprechenden Haushaltsmittel bereitzustellen.


Es gibt gar keine andere Chance: wir können nicht hoffen, dass sich die Finanzzahlen auf wundersame Weise verbessern und wir dabei immer mehr nicht abzahlbare Schulden aufnehmen und hinterher – in vielen Jahren – den Bürgerinnen und Bürgern die Rechnung überreichen. Nein! Wir müssen bereits heute aktiv werden und schauen, was in unserer Macht liegt, um gestalten und auch sparen zu können – sonst machen es andere für uns. Und dafür muss sich die Verwaltung einer Aufgabenkritik unterziehen. Denn bei einem perspektivischen Minus von 200 Millionen Euro zu sagen, dass man ab dem Jahr…. 2029…10.000€ durch die Reduzierung von Dienstfahrten sparen wird oder die perspektivischen 200 Millionen negatives Eigenkapital mit einer Einsparung von 5000€ bei der digitalen Gremienarbeit sinnvoll eingrenzt, kann da nicht ausreichen! Das spiegelt absolut nicht die Meinung unserer Fraktion wider, ist nicht genügend und zeigt umso deutlicher die Bedeutung der Kontroll-Kommission, die wir beantragen!
Ich freue mich dabei über die sehr konstruktiven Gespräche insbesondere mit der SPD zu unseren Anträgen. Auch in den Gesprächen mit der FDP-Fraktion hatte ich den Eindruck, dass die Bedeutung der Kontroll-Kommission dort ebenfalls so gesehen wurde!


Wir sehen auch weitere Fortschritte! Der vorgelegte Stellenplan ist für uns schlüssig, auch wenn wir die fehlende Diskussion im PGA kritisch anmerken müssen! Aber im Wesentlichen werden hier genau an den richtigen Stellen Ausweitungen vorgenommen: Hier sei nur das Bürgerbüro genannt oder auch die Wohngeldstelle. Beides sind wichtige Anlaufstellen für die Bürgerinnen und Bürger und diese Stellen kommen ihnen direkt zugute. Beim Bürgerbüro profitieren alle Bürger:innen und beim Wohngeld diejenigen, die besonders auf eine schnelle Bearbeitung angewiesen sind. Das sind richtige Prioritäten! Auch die Stelle im Klimanpassungsmanagement wird uns allen helfen, den Erfordernissen der Zukunft besser begegnen zu können!


Eine Stellenkürzung hielten wir gegenwärtig für das falsche Signal! Wir müssen auf die Kosten achten, ja! Aber an den richtigen Stellen! Demnächst 12 Wochen auf einen Termin beim Bürgerbüro zu warten oder 1,5 Jahre auf einen Bescheid beim Wohngeld, das sind doch keine Lösungen! Dass wäre doch eine Bankrotterklärung!


Und auch die Stelle beim Changemanagement ist gerade jetzt wichtig. Wenn wir Veränderungen wollen, dann müssen wir diese Prozessänderungen auch begleiten und dafür dient auch diese Stelle und insbesondere die Aufgaben-Kontrollkommission! Es nützt daher auch nichts, einfach zu sagen, dass der globale Minderaufwand auf 2% erhöht werden soll, wenn dadurch unsachgemäße Einschnitte entstehen und die Verwaltung hinterher an Stellen kürzen muss, die bei uns sonst nicht zur Diskussion stehen würden, z.B. im Kultur-, Sport oder Jugendbereich! Noch mal: es gilt um mutiges aber umsichtiges Handeln. Dass müssen wir inhaltlich durch die Kommission und durch die externe Beratung so bald wie möglich initiieren! Aber nicht durch die pauschale Kürzung zum jetzigen Zeitpunkt.
Daher ist es umso wichtiger: Lassen sie uns weiter gemeinsam anpacken und alles notwendige und vertretbare tun, um unsere Stadt weiter lebenswert und bezahlbar zu machen!

Wir dürfen nicht zulassen, dass andere diese Misere ausnutzen und der Gemeinschaft schaden. Dass dürfen alle demokratischen Fraktionen und wir als Bürgerinnen und Bürger nicht zulassen! Wir müssen in einer Demokratie viel Aushalten und uns auch manchmal unserer selbst und unserer Werte vergewissern. Das ist wichtig, aber das tun wir auch! Hattingen ist keine schweigende Mehrheit! Wir zeigen uns als Stadtgesellschaft in unseren Demonstrationen, in unseren Schildern, in unseren Statements! Hattingen hat gezeigt, wovon wir uns abgrenzen und wofür wir uns einsetzen! Daher gilt unser Dank der gesamten engagierten Stadtgesellschaft!

Alle reden dabei immer vom Erstarken der Wutbürger, oder der rechtsextremen Kräfte! Und das bereitet Sorge! Aber lassen Sie uns auch den Blick auf die andere Seite wenden: vom Erstarken der Zivilbevölkerung. Von Demokratie Leben, von Demonstrationen – organisiert von einer standhaften Bevölkerung, von der fairen Auseinandersetzung und dem gemeinsamen Verwehren gegen Hass und Ausgrenzung und für den Einsatz einer pluralistischen und offenen Gemeinschaft! Darüber, dass Kriegsgeflüchteten durch einen gestärkten breiten Konsens geholfen wird, dass sich Menschen ehrenamtlich in der freiwilligen Feuerwehr, im THW, beim Bunten Hattingen gegen Rechts, bei sozialen Trägern wie z.B. der Lebenshilfe, Caritas oder Diakonie, bei dem DRK, in der Suchberatungen, in Kultur und Sporteinrichtungen und in vielen anderen Bereichen einsetzen!
Unsere Stadt zeichnet sich durch uneigennützige Hilfe und Unterstützung aus, unabhängig von Herkunft, sexueller Orientierung oder Status.


All dieser Einsatz für das Gemeinwohl ist stärker als jedes Megaphon. Es ist gelebte Demokratie! Und ich möchte auch allen hier vertretenen Fraktionen danken! Wir sind uns oft uneins. Und das ist auch gut so. Es muss diese politischen Diskurse und Reibungspunkte geben! Die gibt es und das zeigt uns allen, dass hier nicht abgenickt- sondern politisch gehandelt wird! Aber wir diskutieren fair, wir schreien nicht wutentbrannt und wir respektieren den anderen und wir verachten uns nicht. Dass gilt es weiterhin zu bewahren! Jedem und jeder, der daran seinen Anteil hat, danke ich!

Aber wohin wird uns die Zukunft bringen?
Es gibt Momente im Leben, da kennt man nicht die einzige richtige Antwort! Auch dies ist so ein Moment! Niemand hier in diesem Raum oder sonstwo kann sagen, wie der Weg in der Rückschau aussehen wird. Aber wenn wir eines durch die Krisen der vergangenen Jahre gelernt haben, dann dass unsere Gesellschaft viel gemeinsam erreichen kann, wir resilient sind, wir auch durch schwere Zeiten kommen und ja: auch den Mut haben, aufeinander zu vertrauen!


Lassen sie uns also den Blick auf die Zukunft richten, unser kommunales Handeln optimieren, notwenige Maßnahmen vornehmen, unsere Gebäude sanieren, Natur- und Umweltschutz voranstellen, unsere Demokratie weiter stärken und alles notwendige dafür tun, dass wir in einigen Jahren mit weisem Blick zurückschauen können und sagen: ja, wir haben alles versucht und es war gut!
Vielen Dank.

Oliver Degner, Fraktionsvorsitzender

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