Haushaltsrede zum Etat

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich werde heute nicht über die genauen Zahlen des Haushaltes sprechen. Diese Zahlen kennen sie nur zu gut. Der Kämmer kann Ihnen diese auch deutlich besser darlegen. Aber ich möchte auf das schauen, was wir beeinflussen können und ganz deutlich machen – dass die „weiter so“-Mentalität absolut problematisch ist.

Es gilt den Blick nach vorne zu richten und jetzt, hier und heute, die richtigen Entscheidungen zu treffen. „Aufbruch statt weiter so“ DAS ist die Devise! Nicht nur für uns selbst, sondern für unsere Bürgerinnen und Bürger!

Und keine Fraktion kann sich heutzutage noch hier nach vorne begeben und sagen: ich weiß gar nicht, was die Bürgerinnen und Bürger wollen. Wir wissen das ganz genau. Wir müssen nur zuhören! Lassen sie uns den Mut haben zuzuhören. Hinhören, wie Händlerinnen und Händler über Betriebsschließungen klagen, wie Initiativen für den Erhalt unserer Umwelt kämpfen, wie Sportlerinnen und Sportler damit zu kämpfen haben, nach dem Sport nicht duschen zu können, wie der Raummangel an der Schule in Blankenstein zu nur notdürftigen Lösungen führt, oder wie AnwohnerInnen darüber sprechen, dass ihre Umgebung zugemüllt wird.

Und zu all diesen Problemen, kommen noch die neuen Krisenwörter. Neben der Corona-, Russland- und Energiekrise kommt auch die jährlich stärker werdende Umweltkrise hinzu. Die Auswirkungen auf den Haushalt der Stadt sind immens! Die Isolationsschäden werden wir und spätere Generationen mühsam über viele Jahre abtragen müssen. Und mancher Schaden ist schon heute angerichtet: Im Winter die nun ausbleibenden Heizungen und im Sommer die unerträgliche Hitze oder das bedrohliche Hochwasser.

Und statt, dass wir alles dafür geben, die Umwelt so gut es geht zu erhalten, werden von manchen die gleichen Fehler der letzten Jahrzehnte wiederholt. Denken sie nur an die Fällung der Platanen. Wir Grüne setzen uns für eine lebenswerte Stadt sein und nicht für eine versiegelte Einöde! Wir hätten gemeinsam andere Lösungen finden können!

Ich mache es hier ganz deutlich: Umweltpolitik ist keine Klientelpolitik – es ist Existenzpolitik!

Schauen Sie auch auf den Silberahorn in Welper! Was hätten wir für Chancen gehabt, diese Fläche grün zu bespielen. Als kleinen Aufenthalt- und Erholungsort. Alles unter der schützenden Schirmherrschaft des Silberahorns! Aber nein, dieser Baum ist in der Gegenwart schon Vergangenheit. Und die Flächenversiegelung schreitet weiter voran! Sie wird nicht gestoppt. Zukunft besteht nicht nur aus der Gewinnung von neuen Bürgerinnen und Bürgern, sondern der Begriff Zukunft muss erweitert werden: zu lebenswerter Zukunft. Und dazu zählen auch Grün- und Erholungsflächen. Mehr Ent-siegelung statt Ver-siegelung!

Schaut man sich aber so manche Diskussionen an, so erweckt es den Eindruck, als müssten manche den Gipfel erst besteigen – nicht um ein Ziel zu erreichen – sondern um es von dort überhaupt erstmal sehen zu können!

Da nützt es auch nicht viel, wenn der Bürgermeister in seiner Haushaltsrede anklingen lassen, dass das chinesische Wort für Krise Gefahr aber auch Chance bedeutet.

Unsere Einschätzung ist eine andere. Nämlich, dass die meisten bei dem Thema nur chinesisch verstehen und sich zu sehr darauf fokussieren, auf das was nicht geht – was immer schon so gewesen ist –  und daher auch nicht änderbar ist.

Sei es unser Bürgermeister, der im letzten HFA die Einführung von nachhaltigen Zielen in den Haushalt als schlicht nicht machbar bezeichnet, die CDU, die die Ökodiktatur heraufbeschwört, wenn Bürger selbst entscheiden dürfen, ob sie Werbung in ihren Briefkästen finden oder die FDP, die den Untergang für alle Autofahrenden befürchtet, wenn die Städte mehr Ermessensspielraum erhalten was die Tempogestaltung auf unseren Straßen betrifft. Aber auch die SPD hält leider an vielen Punkten noch an früher gefassten Beschlüssen fest, anstatt diese unter neuen Rahmenbedingungen auch neu zu bewerten. Der REWE Markt ist da leider nur ein Beispiel. So können wir doch keine zukunftsfähige Politik gestalten! Es ist zwar der richtige Schritt, aber Büromöbel, Papier, Handtücher, Toilettenpapier fair zu beschaffen, reicht alleine nicht! Umweltschutz und Nachhaltigkeit umfasst weitaus mehr! Ein weiter so kann es nicht geben. Wir müssen an das Kleine denken ohne das große Ganze aus den Augen zu verlieren!

Sehr geehrte Damen und Herren, lassen sie es mich klar sagen: Klimaschutz kostet Geld und bedeutet Veränderung! Es kann nicht alles so bleiben, wie es ist. Das müssen wir alle akzeptieren! Auch bei klammen Haushaltsmitteln müssen wir der Realität ins Auge sehen, dass die jetzige Vorsorge deutlich teurere Maßnahmen in der Zukunft kompensiert. Denken Sie an den Pottacker! Es ist und war richtig hier den Neuaufbruch zu wagen! Und auch die klimaneutrale Verwaltung wird uns etwas kosten! Und das müssen wir zukünftig bereit sein zu zahlen!

Denn wie bereits erwähnt, steckt in jeder Krise eine Chance. Daher dürfen wir bei all den Problemen eines nicht vergessen: Hattingen hat diese Chancen! Und diese werden wir auch brauchen, denn unser Stadtbild wird sich verändern. Und wir es haben in der Hand, diese Chancen zu nutzen und zu entscheiden, wie wir unser Stadtbild gestalten wollen. Der Pottacker, das O&K-Gelände und der neue VHS-Standort sind Millionenprojekte, die es uns ermöglichen, unsere Stadt kulturell vielfältiger, klimagerechter und auch zukunftsorientierter aufzustellen! Und hier darf es nicht alleine darum gehen, irgendwelche Kennzahlen wie mehr BürgerInnen, mehr Einnahmen oder mehr Geschäfte zu erfüllen. Denn ich frage Sie: Was nützt uns eine komplett asphaltierte Stadt mit vielen Bürgern, wenn diese keine Lebensqualität mehr hat?
Wir brauchen stattdessen ganzheitliche Konzepte, die zukunftsfähig aufgestellt sind und den Anforderungen an ein modernes Klimaschutzmanagement entsprechen! Und auch den Mut, Grün- und Freiflächen unentwickelt zu lassen. Dafür werden wir weiterhin als grüne Fraktion streiten!

Und das wird nötig sein! Denn wenn selbst Maßnahmen wie Wattbewerb fadenscheinig abgelehnt werden, spricht das Bände! Auch beim Brandschutzbedarfsplan ist absolut unverständlich, wie so umfangreich gegen die Arbeitsstättenverordnung verstoßen werden kann; wie Ziele zwar benannt, aber nicht mit Zeitdaten hinterlegt werden. Unsere Feuerwehr und der Schutz der Bevölkerung ist ein so wichtiges Gut, hier können wir nicht trödeln. Wir sind auf die Feuerwehr angewiesen und die Feuerwehr ist auf die notwendige Ausrüstung und Infrastruktur angewiesen. Dabei spreche ich ausdrücklich von unseren haupt- und ehrenamtlichen Kräften! Auch deswegen unterstützen wir weiterhin den Bau der neuen Feuerwache Nord und umfangreiche Kompensationspflanzungen. Bauprojekte und Baugenehmigungen sind weiterhin ein vordringliches Thema in Hattingen. Hier werden wir auch weiterhin unseren Blick drauf halten.

Viele wichtige Projekte sind hart errungen und oft umfassen diese Entscheidungen viele Abwägungen! Lassen Sie mich in Anbetracht der Zeit zumindest zwei nennen:

  • So werden wir uns bei der VHS fragen müssen, ob wir einen Standort irgendwo in Holthausen haben möchten, welcher kaum zu erreichen ist und von der VHS abgelehnt wird, oder ob wir eine modern aufgestellte VHS mitten im Zentrum von Welper haben möchten, oder ob wir viele Millionen Euro in die Hand nehmen, um einen neuen Standort an der Werksstr. zu entwickeln. Was aber absolut klar ist: Die VHS braucht einen Standort, an dem „Erwachsenenbildung“ dauerhaft gelebt werden kann. Die VHS darf keine Rucksackinstitution sein, die mal ein paar Jahre hier oder dort anzutreffen ist. Auch Kultur braucht manchmal Kontinuität. Und bei den ewigen Rausschmissen der VHS aus ihren Gebäuden verlieren wir in Wahrheit gar nicht nur Räume – so wird es gerne dargestellt. Wir verlieren etwas viel Dramatischeres: nämlich Vertrauen. Vertrauen darauf, dass Kurse an zugesagten Orten zu festgelegten Zeiten stattfinden können. Vertrauen in die Institution VHS selbst. Dieses Vertrauen muss zurückerrungen werden! Das haben nicht nur die Mitarbeitenden verdient, sondern auch unsere Bürgerinnen und Bürger!

Die Gelder für einen möglichen Bau oder eine Sanierung stehen praktisch bereit. Aber wir müssen jetzt nicht nur reden und träumen sondern aus Wünschen und Vorstellungen Handlungen generieren!  All das sind Entscheidungen, welche nicht leichtfertig getroffen werden! Sie müssen nur endlich abgewogen werden! Die Entscheidungen weiter ewig vor sich herzutragen, kann nicht sein. Auch hier kann es kein weiter so geben!

  • Im Sportbereich gab es ebenfalls schwierige Abwägungen. Hier kann nur ausdrücklich der Dank an die Verwaltung, den SSV und alle Bürgerinnen und gehen: dass wir uns solidarisch mit den Menschen zeigen, die hier bei uns Schutz suchen. Auch wenn das heißt, dass der Sportunterricht temporär nicht wie gewohnt stattfinden kann. Auch uns schmerzt das. Auch wir wissen, was das für die Vereine bedeutet. Wir wünschten, es gäbe kurzfristig andere Lösungen! Aber diese Solidarität und das Engagement ist etwas, auf das wir stolz sein können! Und wir alle arbeiten daran, dass bessere Lösungen gefunden werden!

Trotz all dieser Problematiken stehen wir heute hier und werden hoffentlich den Haushalt beschließen. Denn wir finden auch viel Gutes hier.

  • Wir haben unsere Fahrradstraßen ausgebaut und kommen dem Ziel immer näher, auch wirklich fahrradfreundliche Gegebenheiten zu schaffen – und dabei auch die FußgängerInnen nicht aus dem Blick zu verlieren.
  • Gleichzeitig wird unsere Ladesäuleninfrastruktur weiter ausgebaut
  • Und natürlich sind es manchmal auch die kleineren Dinge, die große Erleichterung verschaffen. Wie z.B. die Trinkwasserspender die in der Innenstadt für eine Abkühlung sorgen werden. Denn Hitzeproblematiken werden zunehmen.
  • Die Tagespflegeeltern sind resilienter aufgestellt
  • Unsere Stelle in der Kulturverwaltung wird deutlich mehr kulturelle Vielfalt nach Hattingen bringen, denn Kulturförderung und das damit verbundene Einholen von Fördermitteln stärkt nicht nur das wichtige kulturelle Angebot, sondern erhöht zugleich die Lebensqualität in der Region. Von dieser Erweiterung des Angebotsspektrums profitiert die Hattinger Bevölkerung, aber auch die Kulturschaffenden- und Treibenden, die in der Pandemie viel zurückstecken mussten. Die Förderung von Kunst, Kultur und Weiterbildung ist eine Investition in unsere Gesellschaft und unsere Zukunft. Durch die Einrichtung der Stelle im Fördermittelmanagement können diese Investitionen zukünftig zu einem größeren Anteil dabei subventioniert werden und so auch Haushaltsmittel eingespart werden.
  • Wir haben auf Initiative der grünen Fraktion die städtischen Ziele nicht nur allgemein ausgerichtet, sondern sind nun auf dem Weg, all unsere Ziele der Nachhaltigkeit zu unterstellen! Dass ist ein riesiges Unterfangen. Der gesamte kommunale Haushalt wird sich an Nachhaltigkeitszielen orientieren und wir werden mehr denn je am Ende eines Jahres uns fragen müssen, wie weit wir tatsächlich auf dem Weg zu einer klimaneutralen Verwaltung und grünen Stadt sind. Aber nur so kann ein „weiter so“ vermieden werden und ein Aufbruch schneller gelingen

Unser Appell ist daher: Wir müssen weiterhin den Mut haben uns für unsere Demokratie einzusetzen, unsere Bürgerinnen und Bürger in unsere Entscheidungen einzubeziehen, Flächenversiegelungen möglichst aufzuhalten, Naturräume erhalten und den Krisen gemeinsam begegnen. Wir dürfen nicht warten, bis die Not am größten ist, sondern wir müssen jetzt die Weichen stellen!

Denn ein weiter so, kann und darf es nicht geben! Ein arabisches Sprichwort besagt:

Willst Du Dein Land verändern,
verändere Deine Stadt.
Willst Du Deine Stadt verändern,
verändere Deine Straße.
Willst Du Deine Straße verändern,
verändere Dein Haus.
Willst Du Dein Haus verändern,
verändere Dich selbst

Diese Veränderung am eigenen Handeln geben wir der Verwaltung und den anderen Fraktionen mit auf den Weg! Verändern Sie die alten Denkmuster und schauen sie mit uns gemeinsam weiter nach vorne!

Oliver Degner
Fraktionsvorsitzender

Es gilt das gesprochene Wort

Aktualisiert: 09.01.2023

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