Etatrede 2009

Am 2. April tagte die Stadtverordnetenversammlung und verabschiedete den Haushalt der Stadt Hattingen für das Jahr 2009. Die hier folgende Etatrede entspricht in groben Zügen dem gesprochenen Wort, da die Vorredner von SPD und CDU zum Teil Stichworte liefern, die nur zu gerne genutzt werden, um die Rede zu „aktualisieren“.

So zum Beispiel die Äußerung des SPD-Fraktionsvorsitzenden A. Paas, der sich erfreut über die an diesem Tage zu besichtigenden Räume der neuen Stadtbibliothek im Reschop Carre ausließ und forderte, dass diese nun auch entsprechend mit attraktiven Medien ausgestattet werden sollte. Was er nicht wusste: Seine Fraktion hat den Grüne/FWI – Antrag, den Bücheretat zu erhöhen abgelehnt. Die CDU hielt sich da ganz heraus und enthielt sich der Stimme (genau so peinlich!). Dies sei nur ein Beispiel von mehreren.

Es ist paradox: 2007 und 2008 waren Jahre der Hochkonjunktur, da war kein Geld da. Der von Konservativen und Liberalen propagierte Sparkurs für den Staat – ganz im Sinne des Neoliberalismus – war die Zwangsjacke auch für die Kommunen.

2009 dagegen: Milliarden verschwinden in den Schwarzen Löchern des Finanzuniversums – jetzt ist plötzlich Geld da. Die Bundesregierung übernimmt Garantien in Höhe von 500 Milliarden € (in 500 €-Scheinen ein Turm von ca. 50 Km Höhe! Hattingen bekam jetzt im Rahmen des Konjunktur II – Programms davon 54 cm.

Und schon setzte eine muntere Diskussion ein, Begehrlichkeiten wachsen, gerade im Wahljahr gilt die alte Regel: konfliktfähige oder Wahlstimmen mächtige Gruppen haben die größten Chancen bedient zu werden.

Zugegeben, auch Grüne/FWI hat Anträge gestellt – aber in aller Bescheidenheit und ohne auf eine bestimmte Wählerklientel zu schielen. Außerdem mit dem Versuch, eine seriöse Gegenfinanzierung zu liefern.

Bäume verschwinden in zunehmendem Maße aus dem Hattinger Straßenraum: Am deutlichsten zu sehen am neuen Busbahnhof. Der Etatansatz von 2.500 € ist nicht mehr als ein Erinnerungsposten. Deshalb unser Antrag: + 10.000 €.
Die Mehrheit von SPD, CDU und FDP entschied dagegen.

Besuch der neuen Räume der Stadtbibliothek im Reschop Carre. Mietkosten 2009: 158.000 €, künftige Jahre über 210.000 €. Dieser Betrag wäre besser angelegt gewesen, wenn man unserem Vorschlag gefolgt wäre und hätte die Stadtbibliothek mit anderen kulturellen Einrichtungen in einem eigenen Kulturzentrum zusammen geführt. Damit wären wir einem Bürger- und Kulturzentrum sehr nahe gekommen.

Noch sind die neuen Räume der Stadtbibliothek leer. Die Attraktivität der Räume muss sich aber im Angebot der Bücher und Medien widerspiegeln. Unser Antrag zur Aufwertung des Etatansatzes: 1€ /Einwohner entspricht 56. 000 €. Damit könnten ca. 5% des Bestandes erneuert werden – eine Faustformel aus der Praxis. Mit gerade 38.500 € sind wir weit davon entfernt.

Peinlich war bei der Ablehnung unseres Antrags durch die SPD, dass sich 7 CDU-Mitglieder des Kultur-Ausschusses enthalten haben.

Gleichzeitig sollen die Mitarbeiter mit Veranstaltungen die Attraktivität der Stadtbibliothek steigern. Schließlich haben wir ja jetzt ein Lesecafe. Wie soll das gehen ohne Geld?

Zu unserer eigenen Verblüffung ging unser Antrag, der gleichzeitig aus dem Integrationsrat gestellt wurde, einstimmig durch: 25.000 € zur Projektierung eines Bürgerhauses.

Beim Thema Integration gibt es eine echte Lücke im Haushalt: Kemnade 2009 im Haushalt: „Fehlanzeige“. Oder:

Meine Fraktion hat im Jahre 2008 unter Ihrer Zustimmung die Einrichtung eines Integrationsmanagements vorgeschlagen. „Wir werden bunter“ heißt es im Konzept zum Demographischen Wandel. Dies wurde im Etat schlicht vergessen. Dabei ist die Einrichtung eines entsprechenden Produktes noch nicht einmal eine Frage besonderer Kosten, sondern eine Frage der Konsequenz. Stattdessen hangelt sich die Verwaltung von einem KommIn-Antrag zum nächsten.

Positiv bewertet meine Fraktion die Durchsetzung der Anträge zum Thema Schule.

Die Bürgermeisterin stellte in ihrer Neujahrsansprache einen Sanierungsstau von 8 Mio € an den Hattinger Schulen fest – und die CDU reagierte am schnellsten. Die Schwerpunktsetzung beim Gymnasium Waldstraße war nach Jahren der Vernachlässigung überfällig. Die Anträge der CDU sind haushaltstechnisch solide ausbalanciert. Deshalb hat meine Fraktion diese Anträge mitgetragen und die gesamte Initiative zur Beseitigung des Sanierungsstaus auch mitgeprägt. Als großer Erfolg unserer kleinen Fraktion ist die einstimmige Annahme unseres Antrags zur Beseitigung des Sanierungsstaus an Hattinger Schulen zu werten.

Nicht durchgedrungen sind wir mit unseren Einsparvorschlägen:

Die Herrichtung des Dorfplatzes Holthausen sollte bei 40.000 € gedeckelt werden. Die 70.000 € Einsparung hätten unsere Anträge gegenfinanziert.

Einsparungen ließen sich auch bei den einfallslosen Entwürfen zur Oberen Heggerstraße machen. Die interne Anmeldung zum Haushalt sieht hier sogar 1,8 Mio € vor. Ein riskant hoher Betrag mit fragwürdigem Ergebnis.

Grüne/FWI ist bereit, offensichtliche Schäden und Unfallgefährdungen sofort beseitigen zu lassen. Dies dürfte mit 200 – 300.000 € zu bewerkstelligen sein.

Weitergehende Maßnahmen sollten abgewartet werden, bis wir die Auswirkungen des Reschop Carres besser abzuschätzen wissen. Die Umsetzung der dürftigen Planungsentwürfe ist voreiliges Handeln der anderen Fraktionen und der Verwaltung. Wichtige Finanzmittel werden damit für andere Projekte fehlen.

Die größte Belastung für den Haushalt resultiert aus dem Beschluss zur Hauptfeuerwache. Für Jahrzehnte wird der städtische Haushalt mit 600 – 800.000 € jährlich für den Neubau belastet – wohlgemerkt ohne Betriebskosten. Unser Handlungsspielraum wird für Jahre massiv beeinträchtigt. Hier liegt der entscheidende Punkt für unsere Ablehnung des Etats 2009.

Wir fragen uns nämlich, was wir deshalb in den nächsten Jahren nicht in Angriff nehmen können:

Einige Beispiele:

Der SportA hat beschlossen: Jedes Jahr ein weiterer Kunstrasenplatz. Kostenpunkt ca. 400 – 600.000 € . Wie sinnvoll dieses Versprechen ist, sei dahin gestellt. Die SPD und CDU sollten auch im Wahljahr so ehrlich sein zuzugeben, dass dieses Versprechen pure Illusion ist.

Das Raumkonzept zur Neuordnung der Verwaltungsstandorte wird endgültig in der Schublade verschwinden.

Was wird mit der Werkstraße 40? Eine menschenwürdige Unterbringung der Flüchtlinge ist weiterhin ein ungelöstes Problem.

Planfall 2/Umlenkung des Verkehrs auf den Büchsenschütz zur Entlastung von Innenstadtstraßen: Die Finanzierung wird immer unwahrscheinlicher.

Die Veränderung der Hattinger Schulstruktur aufgrund demographischer Entwicklungen muss mit dem neuen SEP eingeleitet werden. Kosten für die Stadt sind überhaupt noch nicht abschätzbar, sie werden aber erheblich sein.

Gerne hätten wir im Zusammenhang mit der städtebaulichen Entwicklung im Bereich Pottacker die Planung eines Hallenbades für die Innenstadt initiiert. Der ähnliche Wunsch der Bürgermeisterin war ja spätestens mit dem kläglichen Rückzug des Investors gescheitert. Auf absehbare Zeit wird es kein weiteres Schwimmbad für Hattingens Innenstadt geben. Wir bedauern das angesichts der älter werdenden Bevölkerung, die zur Gesundheitsvorsorge dies wünscht.

Im Zeichen der Krise werden aber noch ganz andere finanzielle Herausforderungen auf die Stadt zukommen. Dass es bei der Verabschiedung der Etatansätze des JugendhilfeA. und des SozialA. so reibungslos und still ablief, ist für mich das Signal einer trügerischen Ruhe.

Machen wir uns nichts vor! Vor allem: Machen wir im Wahljahr der Hattinger Bevölkerung nichts vor!!!! Der unerwartete Geldsegen 2009 ist nichts anderes als ein Vorschuss auf die kommenden Jahre. Finanzminister Linsen kündigte einen drastischen Sparkurs ab 2010 an. Dies bedeutet für Hattingen einen massiven Rückgang der Landeszuweisungen, angesichts der Wirtschaftsrezession werden Steuern, Gebühren und Einnahmen weg brechen.

Es herrscht die Stille vor dem Sturm.

Stefan Kietz-Borgwardt
GRÜNE/FWI

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