Etatrede 2006

Die Klagen über die Haushaltslage sind bekannt, sämtliche Argumentationen geführt, von daher kann ich mich an dieser Stelle kurz fassen.
Interessant finde ich nur, dass nach Jahren der Antrags-Enthaltsamkeit plötzlich doch wieder eine Reihe von Anträgen aus den diversen Fraktionen auf den Tisch flatterte.

Wir selbst haben uns mit eigenen Anträgen – wie in den vergangenen Jahren – zurückgehalten. Die Konsolidierung des Haushalts genießt weiterhin Priorität. Ausnahmen davon machen wir nur in Fällen besonderer Dringlichkeit.

Diese lag z.B. bei der Wiederbesetzung der Stelle im Haus der Jugend vor.

Welche Probleme uns ins Haus stehen können, dafür bietet Frankreich seit Monaten ein beunruhigendes Fanal. Soweit, dass die Autos brennen, sind wir bei weitem noch nicht, aber zu einer perspektivlosen „Generation Kleenex“ – wie die Jugendlichen genannt werden – darf es nicht kommen. Beunruhigende Symptome einer Entwicklung dahin sind jedoch nicht zu übersehen.
Ich will hier keine Panik verbreiten, nur die Einsicht in die Notwendigkeit umfassender Jugendarbeit schärfen.

Deshalb haben wir die Anträge des Jugendparlaments und der CDU unterstützt, die Stelle im Haus der Jugend wieder zu besetzen. Wesentlich erschien meiner Fraktion allerdings, die sofortige Besetzung vorzunehmen und dass die Person, die dafür in Frage kommt, einen Migrationshintergrund und dementsprechende Erfahrungen aufweisen kann.
Anfangen muss die Jugendarbeit aber schon im Kindergarten, wenn es gilt die Integration von Zuwanderern zu verbessern und die Kompensation von prekären Familiensituationen zu leisten.
Vor allem müssen wir an die Eltern herankommen, denn die Mängel in der frühen Kindererziehung bescheren uns die späteren Probleme.

Die Erkenntnis, dass präventive Sozial- und Jugendarbeit ganz früh ansetzen muss, ist mittlerweile auch bei der CDU angekommen und ein Anfang ist von der Landesregierung gemacht. Bang wird mir nur für die Zukunft, dass die Jugendpolitik in Düsseldorf zwar verkündet, aber von den Gemeinden umgesetzt und bezahlt werden muss.

Bedeutend für den sozialen Frieden mit der jungen Generation ist ein weiterer Aspekt:
Junge Menschen brauchen eine Perspektive, auf die hinzuarbeiten lohnt. Die Chance zur Berufsausbildung und die Aussicht auf einen gesicherten Arbeitsplatz vermögen manchmal mehr als präventive Maßnahmen.

Die Stadt leistet ihren Beitrag, auch wenn dies finanziell schwer fällt. Der Verzicht auf die Erhöhung der Gewerbesteuer sollte deshalb auch als Appell an die Hattinger Unternehmen interpretiert werden, ihrerseits mehr Verantwortung für die Gesellschaft übernehmen.
Hierin liegt die Motivation meiner Fraktion, auf eine erhöhte Gewerbesteuer zu verzichten, nicht etwa darin, die Gewinnaussichten der Firmen zu verbessern.
Also: Perspektiven schaffen, Ausbildungsplätze stellen. Der Preis für die „Entlassungsproduktivität“ (Unwort des Jahres) könnte nämlich hoch werden.

Einiges Gezerre herrschte einmal mehr um die Sportpauschale und ich werde das dumpfe Gefühl nicht los, dass damit Klientelpolitik betrieben werden soll.
Meine Fraktion verweigert sich beiden vorgeschlagenen Vorhaben von CDU und SPD; also kein Kunstrasen und keine aufgerüstete Spielfläche am Wildhagen. Wir verweisen mit allem Nachdruck auf die lange Liste von Maßnahmen, die den Bestand der Sportanlagen und Turnhallen sichern müssen. Der Forderung nach einem überflüssigen Kunstrasen stelle ich ganz konkret den Ersatz der abgängigen Turnhalle in Blankenstein gegenüber. Die Einleitung dieser Maßnahme behalten wir uns für 2007 vor.

Einen einzigen Antrag haben wir im Umwelt- und Verkehrsausschuss gestellt und wie um allen Klischees Genüge zu leisten, handelte es sich um die Anpflanzung von Bäumen. Der Antrag wurde abgelehnt. Meine Bitte ist nur: Gehen Sie einmal offenen Auges durch Hattingen und registrieren Sie, wie viele Bäume im Stadtgebiet entfernt wurden, ohne dass es zu einer Neuanpflanzung gekommen ist. Vielleicht ändern Sie dann Ihre Meinung im nächsten Jahr.

Einen weiteren Antrag will ich an dieser Stelle einbringen: Dieser liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, es handelt sich um die Erhöhung der Grundsteuer A/B. Der Antrag spiegelt unsere Position vom Dezember letzten Jahres konsequent wider. Nachvollziehen konnten wir die Argumente, die Gewerbesteuer nicht zu erhöhen. Angesichts der Attraktivität Hattingens als Wohnort halten wir eine maßvolle Erhöhung der Grundsteuer-Hebesätze für vertretbar. CDU und SPD sind mit allen möglichen Anträgen in die Debatte eingestiegen, wir sorgen für die finanzielle Deckung.
Der Kämmerer hat den Einnahmeverlust auf ca. 600.000 € beziffert. Helfen Sie nun mit diesen Verlust zu begrenzen und unterstützen Sie unseren Antrag.

Politische Schwerpunkte lassen sich nicht unbedingt am Etat ablesen. Trotzdem möchte ich kurz 3 Themenbereiche ansprechen:

Das Concepta-Projekt am Reschop ist gut gestartet. In den Grundzügen stimmt das Konzept, aber ich warne davor in voreilige Bescheidenheit zu verfallen. Auf keinen Fall darf es bei der konkreten Gestaltung der Baukörper zu Billig-Architektur kommen. Optimal wäre ein Bau, der so hochwertig gestaltet ist, dass die Menschen gerade wegen der Architektur nach Hattingen kommen.
Wir sollten uns über die Vorzüge des Hattinger Standortes bewusst sein. Wir haben genauso wenig zu verschenken wie der Investor.

Für den Bereich der Kultur hatte ich mir durch unsere Bürgermeisterin einige Impulse mehr erwartet. Allerdings respektiere ich, dass sie sich auf das Stadtmarketing zunächst konzentriert hat. Erinnern will ich aber trotzdem an das vor einigen Jahren von meiner Fraktion auf die Tagesordnung gesetzte Bürgerhaus. Leider ist der Schwung, mit dem die Idee auch von anderen Fraktionen angegangen wurde, verebbt. Aber selbst wenn die Finanzierung in diesen Zeiten schwierig ist, ist die Idee ja nicht falsch oder überflüssig und wir sollten wenigstens an einer Konzeption weiterarbeiten.

Der Focus der Politik war in den letzten 2 Jahren auf die Stadt Hattingen selbst gerichtet. Ich will den Blick in diesem Jahr verstärkt auf unser Hügelland richten. Diesen Bereich dürfen wir nicht vernachlässigen. Der „Rahmenplan Hügelland“ liegt auf Eis. Die Diskussion in der Vergangenheit zeigte, dass hier quer zu den Fraktionsgrenzen Koalitionen gebildet wurden, die sich gegenseitig und damit eine sinnvolle Entwicklung des Hügellands blockierten. Als Stichworte zur Thematik will ich nur kurz anreißen:
Welchen Weg gehen wir beim Nah-Tourismus?
Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem demographischen Wandel und dem Generationswechsel in der Bauernschaft? Welche Potenziale bietet das Hügelland und welche sollen mit Schwerpunkt entwickelt werden?

Ich will es dabei belassen, wie wir zum Haushalt stehen, haben wir bereits durch unsere Zustimmung im Haupt- und Finanzausschuss signalisiert.

Es gilt das gesprochene Wort.

Stefan Kietz-Borgwardt
GRÜNE/FWI

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